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GLS-CEO Dr. Karl Pfaff im DVZ-Interview: "Wir wollen in den USA weiter expandieren"

Veröffentlichungsdatum: 21 Mai 2025
GLS Group CEO Dr Karl Pfaff
GLS Group CEO Dr. Karl Pfaff

Seit rund eineinhalb Jahren ist Dr. Karl Pfaff CEO der GLS Gruppe. Im Interview gibt er Einblicke in die globalen Ziele des Paketdienstleisters und spricht über die Übernahme der Muttergesellschaft International Distribution Services (IDS). 

Im Mai 2024 hat die International Distribution Services (IDS), Muttergesellschaft von Royal Mail und GLS, einem Übernahmeangebot der Investmentgesellschaft EP Group des tschechischen Unternehmers Daniel Kretinsky in Höhe von 3,5 Milliarden Britischen Pfund zugestimmt. Zum 30. April hat EP UK Bidco Limited (Bidco), eine Tochtergesellschaft der EP Group, sich nun rund 80 Prozent des ausgegebenen Aktienkapitals von IDS gesichert. Damit ist die sogenannte Change of Control erfolgt.

GLS-CEO Karl Pfaff hofft nach dem Deal auf weitere Investitionen in sein Unternehmen, um noch stärker wachsen zu können.

DVZ: Herr Pfaff, wie haben Sie den rund zwölfmonatigen Übernahmeprozess erlebt?

Karl Pfaff: Die IDS war während der gesamten Zeit federführend für die Gespräche mit den Anteilseignern und der EP Group verantwortlich. Wichtig dabei ist zu wissen, dass die EP Group und Daniel Kretinsky bereits seit fünf Jahren an IDS beteiligt waren, zuletzt mit über 27 Prozent. Sie kannten sowohl die Royal Mail als auch die GLS bereits gut und waren mit den Firmen vertraut.

DVZ: Was erwarten Sie vom neuen starken Mann Daniel Kretinsky?

Karl Pfaff: Allein anhand der öffentlichen Äußerungen wird meiner Meinung nach deutlich, dass Daniel Kretinsky und die EP Group langfristige Ziele haben und einen klaren Plan verfolgen, wie sich die beiden Firmen weiterentwickeln sollen. Dabei bestehen bei der Royal Mail als Post- und Paketgesellschaft andere, transformative Herausforderungen als bei GLS. GLS ist ein sehr gut aufgestelltes, internationales Unternehmen mit großem Wachstumspotenzial. Weitere Investitionen für profitables Wachstum lohnen sich. Davon bin ich überzeugt, und ich denke, davon können wir auch unseren neuen Eigentümer überzeugen.

DVZ: Bei der Übernahme wird vor allem über Veränderungen der Royal Mail gesprochen. Welche Anpassungen erwarten Sie bei GLS?

Karl Pfaff: Ich habe momentan keinen Anlass, davon auszugehen, dass Veränderungen in der Ausrichtung der GLS vorgesehen sind.

DVZ: Die globale Lage macht die Planung aktuell schwer. Welche Herausforderungen sehen Sie für Ihr Unternehmen?

Karl Pfaff: Wir beobachten die aktuellen Entwicklungen im internationalen Handel sehr aufmerksam. Zuletzt insbesondere die Zölle, die im Konflikt zwischen den USA und anderen Ländern beziehungsweise Kontinenten erhoben werden. Der Schwerpunkt unseres Netzwerks liegt in Europa. Wir sind aber auch in Kanada und den USA vertreten und haben unser Angebot erst vor kurzem auf Asien erweitert. Vor diesem Hintergrund betreffen uns die aktuellen Entwicklungen unmittelbar. Im internationalen Paketversand gelten allerdings weiterhin die sogenannten De-minimis-Regeln.

DVZ: Zollfreiheit unterhalb bestimmter Werte – unabhängig von aktuellen Entscheidungen.

Karl Pfaff: Genau. In den USA liegt diese Grenze bei 800 US-Dollar, in Europa bei 150 Euro. Der Großteil der internationalen Sendungen, die wir bei GLS transportieren, liegt unterhalb dieser Grenzen. Zu beachten ist allerdings, dass die US-amerikanische Regierung die De-minimis-Regel für Importe aus China kürzlich abgeschafft hat. Die Situation entwickelt sich derzeit sehr dynamisch, weshalb ich mir heute auch keine genaue Prognose zutraue, wie es in drei oder sechs Monaten aussehen wird.

DVZ: Sie sind 2014 zu GLS gekommen. Wie hat sich das Unternehmen seitdem verändert?

Karl Pfaff: GLS ist heute deutlich internationaler aufgestellt als zu meinen Anfangszeiten. Wir verfügen über eines der zwei größten paneuropäischen streckenbasierten Netzwerke. Im internationalen Versand gab es in den vergangenen Jahren extrem starke und dynamische Weiterentwicklungen. Gleichzeitig erleben wir im B2C-Geschäft einen tiefgreifenden Wandel: Die klassische Haustürzustellung wird zunehmend durch sogenannte Out-of-Home-Lösungen ersetzt. Dementsprechend hoch ist der Transformations- und Anpassungsdruck für die KEP-Dienste. Zudem ist der technologische Fortschritt ganz offensichtlich. Zu Beginn meiner Zeit bei GLS wurden viele Prozessabläufe und Unternehmensbereiche noch manuell abgewickelt. Heute ist nahezu alles digitalisiert und zu großen Teilen automatisiert.

Nachhaltigkeit bleibt auf der GLS Agenda zentrales Thema
Nachhaltigkeit bleibt auf der GLS-Agenda zentrales Thema.

DVZ: Bei der Transformation zu Out-of-Home tun sich die Deutschen ja schwerer als andere.

Karl Pfaff: Das ist richtig. In Osteuropa und Skandinavien ist die Entwicklung bereits weiter fortgeschritten. Wir sehen die Unterschiede deutlich in unseren eigenen Landesgesellschaften. In den skandinavischen und osteuropäischen Märkten haben wir heute bereits bis zu 40 Prozent Out-of-Home-Zustellung im B2C-Segment, während der Anteil in Deutschland noch bei 20 Prozent liegt. Immerhin schon 20 Prozent, muss man aber sagen. Wir sehen in allen Ländern eine einheitliche Tendenz der Verbraucher, von der Home-Delivery zur Out-of-Home-Delivery zu wechseln.

DVZ: Wie soll die Umstellung auf die Out-of-Home-Zustellung bei GLS funktionieren?

Karl Pfaff: Gruppenweit stellen wir bereits jedes fünfte B2C-Paket in einen Paketshop oder Paketautomaten zu. Wir gehen davon aus, dass wir in spätestens vier Jahren bei 40 Prozent liegen werden. In bestimmten europäischen Regionen wird der Wert dann sogar noch höher sein. Das heißt aber auch: Die Haustürzustellung wird nicht verschwinden, sie wird sich aber immer mehr zu einem Premiumservice wandeln. Wir von GLS sind für diesen Wandel hervorragend aufgestellt, da wir die letzte Meile langfristig nicht nur für die Haustürzustellung, sondern auch für unsere B2B-Zustellung benötigen. Wir werden also die Synergien zwischen diesen beiden Segmenten im Bereich der letzten Meile weiter nutzen können.

DVZ: Lassen Sie uns auf die übergeordneten Themen schauen. Wie sieht Ihre globale Strategie aus?

Karl Pfaff: Sie basiert auf drei Säulen. Erstens wollen wir unsere Marktanteile in allen Regionen und Ländern, in denen wir bereits heute vertreten sind, kontinuierlich steigern. Wir wachsen in unserem paneuropäischen Netzwerk seit Jahren stärker als der Markt. Zweitens betrachten wir die wenigen Regionen in Europa, in denen wir aktuell noch nicht präsent sind: Wir prüfen kontinuierlich, ob wir unsere Netzwerke auch dort etablieren oder alternativ mit Netzwerkpartnern zusammenarbeiten. Drittens wollen wir über den europäischen Markt hinausgehen, um unsere globale Präsenz zu stärken.

DVZ: Wie stark ist GLS in den vergangenen Jahren im europäischen Kernmarkt gewachsen?

Karl Pfaff: In den letzten fünf Jahren haben wir jeweils ein zweistelliges jährliches Wachstum erreicht – und das wollen wir auch weiterhin tun. Das gelingt uns insbesondere, weil wir im Gegensatz zu anderen Carriern nicht nur mit Partnern zusammenarbeiten, sondern über ein durchgängig integriertes Netzwerk verfügen. Wir sind heute in 19 europäischen Ländern mit eigenen Netzwerken, eigenen Standorten und eigenen IT-Systemen vertreten und können unseren Kunden deswegen völlig nahtlose und reibungslose Dienstleistungen anbieten. Diese Qualität kann kaum ein anderer Dienstleister bieten.

DVZ: In welchen europäischen Märkten sind Sie noch nicht vertreten, und gibt es konkrete Pläne, in diese Märkte vorzudringen?

Karl Pfaff: Momentan sind hier keine Aktivitäten geplant, aber wir prüfen unsere Möglichkeiten sehr genau. Im vergangenen Jahr haben wir 20 Prozent der Anteile am griechischen Marktführer ACS erworben. Wir haben die Option, im Laufe des kommenden Jahres auch die restlichen 80 Prozent zu übernehmen. Griechenland ist ein sehr schnell wachsender Paketmarkt mit einer momentan noch relativ geringen Durchdringung des Onlinehandels. Das ist für uns ein hochinteressanter Markt.

DVZ: Und darüber hinaus?

Karl Pfaff: In Osteuropa gibt es noch einige Länder, in denen wir derzeit nicht direkt vertreten sind. Dazu zählen die Baltischen Staaten, Bulgarien und verschiedene Länder auf dem Balkan. In all diesen Regionen arbeiten wir derzeit sehr gut mit Netzwerkpartnern zusammen. Vor drei Jahren sind wir mit einem eigenen Netzwerk in den serbischen Markt eingetreten. Auch dort gibt es noch Potenzial für weiteres Wachstum.

DVZ: Bedeutet Wachstum die Übernahme von Unternehmen?

Karl Pfaff: Die GLS hat in ihrer Geschichte gezeigt, dass sie beides kann. Teilweise haben wir Firmen gekauft, in anderen Fällen haben wir Gründungen durchgeführt. Beides ist möglich und hängt immer davon ab, ob wir die richtigen Firmen finden, um das anorganisch umzusetzen. Entscheidend ist, dass wir insbesondere im Cross-Border-Geschäft möglichst schnell nach dem Markteintritt ein einheitliches und nahtloses Produkt aus den anderen Ländern heraus anbieten können.

DVZ: Ihr Unternehmen ist mittlerweile nicht nur in Europa, sondern auch in den USA und Kanada präsent.

Karl Pfaff: Die Expansion nach Nordamerika war für die gesamte GLS Gruppe von großer Bedeutung. Heute sind wir in ganz Kanada, von der West- bis zur Ostküste, im Fracht- und Paketdienst tätig. In den USA decken wir neun Bundesstaaten im Westen des Landes selbst ab, den Rest über etablierte Netzwerkpartner. Dieses Angebot wollen wir kontinuierlich erweitern.

DVZ: Wie soll das passieren?

Karl Pfaff: Tatsächlich sehe ich hier Parallelen zum Ausbau unseres europäischen Netzwerks. Die GLS war schon immer gut darin, ihr Netzwerk Schritt für Schritt zu erweitern. Das muss nicht zwangsläufig gleich mit eigener Infrastruktur passieren. Es war und ist unsere Stärke, auch „asset-light” in Märkte einzutreten, also zunächst mit Netzwerkpartnern zusammenzuarbeiten.

DVZ: Welche Partner haben Sie in Nordamerika?

Karl Pfaff: In den USA gibt es heute die beiden großen Carrier UPS und Fedex, die einen Großteil des Marktes abdecken. Daneben gibt es aber eine Vielzahl regionaler Carrier. Wir arbeiten bereits mit zahlreichen dieser Carrier zusammen und können dadurch flächendeckend alle Postleitzahlen in den USA für den Versand anbieten. Alternativ prüfen wir auch Übernahmen. So sind wir in Europa gewachsen, und so wollen wir auch in den USA weiter expandieren.

DVZ: Welche Bedeutung hat die Integration der US-amerikanischen Dienste in das europäische Netzwerk?

Karl Pfaff: Einfach ausgedrückt bedeutet das, dass wir den transatlantischen Paketversand aus eigener Hand ermöglichen. Unsere rund 250.000 Kunden weltweit können somit direkt über uns zwischen Europa und Nordamerika versenden. Unsere Transitzeiten liegen nur leicht über denen der großen marktbegleitenden Expressdienstleister UPS, Fedex und DHL Express, dafür bieten wir unseren Kunden sehr wettbewerbsfähige Preise an. Wir positionieren uns bewusst zwischen den langsamen, aber kostengünstigen Postgesellschaften und den schnellen, aber auch sehr teuren Expressdienstleistern.

DVZ: Wie groß ist das finanzielle Potenzial dieser Lücke zwischen diesen etablierten Anbietern?

Karl Pfaff: Heute werden mehrere Hundert Millionen Pakete im Jahr transatlantisch versendet. Unser adressierbarer Marktanteil beträgt ungefähr die Hälfte, das Potenzial ist also sehr groß. Die Frage ist nun natürlich: Wie viele Marktanteile können und werden wir uns erarbeiten?

DVZ: Seit Herbst 2024 arbeiten Sie eng mit dem chinesischen Dienstleister SF Express zusammen. Welche Bedeutung hat diese Kooperation?

Karl Pfaff: Die strategische Partnerschaft mit dem chinesischen Marktführer verschafft uns einen äußerst wettbewerbsfähigen Zugang nicht nur zum chinesischen Markt, sondern auch zum gesamten sogenannten „Pacific Rim“, also dem pazifischen Raum. Dazu zählen Länder wie Indien, Korea, Japan, Thailand und Vietnam – allesamt Wachstumsmärkte mit großem Potenzial im grenzüberschreitenden Versand. Selbstverständlich haben wir auch geprüft, ob wir mit eigenen Kapazitäten in diese Märkte gehen wollen, haben aber einen anderen Weg eingeschlagen.

DVZ: Warum?

Karl Pfaff: Allein aus kulturellen Gründen bringen diese Märkte eigene Herausforderungen mit. Wir sind uns sicher, dass eine Partnerschaft der bessere Weg ist, um in diese Märkte einzusteigen. SF Express ist einer der führenden Carrier in China und ganz Ostasien und somit ein hervorragender Partner für uns. Wir erhalten dadurch Zugang zu vielen Ländern in der Region – und das bei hoher Servicequalität und zu sehr wettbewerbsfähigen Kosten.

DVZ: Ist ein Ausbau der Partnerschaft mit SF Express vorgesehen? Oder gibt es andere Pläne zur Expansion in Asien?

Karl Pfaff: Jetzt gilt es, die bestehende Partnerschaft mit Leben zu füllen. China wird in Zukunft für GLS noch wichtiger sein. Zum einen entstehen dort viele Innovationen. Bei der Sortierautomatisierung, der Out-of-Home-Logistik oder der automatisierten Zustellung ist China vorne mit dabei. Zum anderen ist es der mit Abstand größte Paketmarkt der Welt. Im letzten Jahr wurden dort über 150 Milliarden Pakete verschickt.

DVZ: Welche weiteren Märkte beobachten Sie genauer?

Karl Pfaff: Für uns ist entscheidend, dass ein neuer Markt zu unserem aktuellen Netzwerk passt. Mexiko als Erweiterung unserer Aktivitäten in Nordamerika könnte perspektivisch interessant sein. Über Zentralamerika ist dann ein Weg nach Südamerika für uns denkbar. Am Ende sind wir immer an Synergien mit unserem bestehenden Netzwerk interessiert.

DVZ: Welche Bedeutung hat Nachhaltigkeit für die GLS?

Karl Pfaff: Bei der Nachhaltigkeitswende, die wir als KEP-Dienstleister vollziehen, geht es um nichts Geringeres als unsere „Lizenz zum Weitermachen“ in der Zukunft. Das haben wir schon vor Jahren erkannt und deutlich bevor es Berichtspflichten dazu gab, mit dieser Transformation begonnen. Unser Ziel ist es, bis 2030 die Hälfte der Gesamtflotte auf Low oder Zero Emission umzustellen. Im Nahverkehr bedeutet das eine Reduktion der Emissionen auf den jeweiligen Tonnenkilometer um knapp 37 Prozent. Im Fernverkehr sind es knapp 32 Prozent, verglichen mit dem Ausgangsjahr 2021. Das wollen wir in den nächsten fünfeinhalb Jahren schaffen.

DVZ: Neben der Nachhaltigkeit ist die Digitalisierung ein wichtiger Faktor für die Unternehmensentwicklung. Was passiert hier?

Karl Pfaff: In den letzten Jahren haben wir hier enorme Fortschritte erzielt und sind in einigen Bereichen marktführend. Die Digitalisierung ist ein zentraler Treiber unserer Unternehmensentwicklung. Ein Beispiel hierfür ist unser Start-up Bettermile, das GLS vor rund sechs Jahren gegründet hat und das sich hauptsächlich um die Digitalisierung der letzten Meile kümmert. Diese Innovationen machen den gesamten Zustellprozess effizienter, transparenter und kundenfreundlicher.

DVZ: Halten Sie die automatisierte Zustellung in den kommenden Jahren für wahrscheinlich?

Karl Pfaff: Autonome Fahrzeuge sind in China in einigen Regionen bereits Realität. In der Sortiertechnologie gibt es heute bereits vielfältige Möglichkeiten der Automatisierung, auch durch Robotik. Es ist sehr gut möglich, dass wir in den kommenden fünf Jahren zumindest in Pilotprojekten erste humanoide Roboter sehen werden, die eine manuelle Paketsortierung durchführen. In der Kombination von Robotik und künstlicher Intelligenz werden wir exponentielle Fortschritte sehen. Auch bei GLS.

DVZ: Und wie wird die GLS Gruppe 2030 aufgestellt sein?

Karl Pfaff: Nach wie vor sehr profitabel. Größer, als wir es heute sind. Und erfolgreich in dem Wandel, den wir tagtäglich vollziehen müssen.

 

 

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