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GLS Germany-CEO Moritz Eichhöfer im Interview mit der Verkehrs Rundschau: „Ein Out-of-Home-Ökosystem sehen wir als Gamechanger für die Paketlogistik.“

Veröffentlichungsdatum: 18 Aug. 2025
GLS Germany CEO Moritz Eichh fer
GLS Germany CEO Moritz Eichhöfer.

Seit April ist Moritz Eichhöfer neuer Deutschland-Chef von GLS. Im Interview mit der Redakteurin Eva Hassa spricht er über seine Pläne, wie er den Paketdienst hierzulande voranbringen will, welche Rolle da Out-of-Home-Delivery spielt.

Herr Eichhöfer, Sie sind seit April neuer Deutschland-CEO des Paketdienstes GLS. Sie kommen zu einem Zeitpunkt, in dem sich GLS neu erfindet: So hat Ihre Holding IDS, zu der Royal Mail und GLS gehören, mit dem tschechischen Milliardär Daniel Křetínský nicht nur einen neuen Eigentümer, sondern auch einen neuen Vorsitzenden. Zunächst mal gefragt: Haben Sie Křetínský schon persönlich kennengelernt?
Ja, wir haben ihn unlängst getroffen.

Wie tickt er?
Daniel Křetínský ist ein sehr kluger Kopf, ein Stratege, vielleicht auch ein Visionär, der die Unternehmen, die er über seine Holding zu Teilen oder auch ganz besitzt, sehr genau verstehen will. Und zwar ihre Themen, ihr Geschäft und die Branche, in der sie tätig sind, in unserem Fall also das Paketgeschäft. Er hat uns als GLS grundsätzlich sehr viel Wertschätzung entgegengebracht und uns seine starke Unterstützung signalisiert, um GLS vorwärts weiterzuentwickeln – auch mit Investitionen.

Was hat für ihn jetzt Top-Priorität?
Ich kann an dieser Stelle natürlich nicht für Herrn Křetínský sprechen, aber seine Äußerungen in meiner Funktion als CEO von GLS Germany interpretieren: Klare Botschaft an GLS war, dass er unseren bisherigen Weg unterstützt. Also Fokus auf profitables Wachstum, Nachhaltigkeit und Digitalisierung sowie das Angebot eines hochwertigen Produkts zu einem fairen Preis. Aber auch die Notwendigkeit, dies über bestimmte transformative Schritte zu erhalten.

Außerdem ist Daniel Křetínský, wie ich schon sagte, inhaltlich sehr interessiert, auch an den aktuellen Herausforderungen, die unsere Branche umtreiben. Und er hat da die globale Perspektive und sieht, dass der Trend im Paketgeschäft ganz klar in Richtung „Out-of-Home-Zustellung“ geht, also die Zustellung von Paketen an einen Ort außerhalb der Wohnung des Empfängers. Da hinken wir in Deutschland gegenüber anderen Ländern vielleicht noch etwas hinterher.

Und was sind Ihre drei wichtigsten Ziele für GLS Germany?
Ich knüpfe an die Tradition meiner Vorgänger an und möchte GLS in Deutschland weiterentwickeln und profitabel wachsen. Und zwar weiterhin mit Schwerpunkt B2B. Dort wollen wir führend im Markt sein und als stets verlässlicher Qualitäts-Anbieter wahrgenommen werden. Vor allem im Mittelstand, aber auch bei großen industriellen Versendern. Das hat Top-Priorität für mich. Und ich denke, dass wir uns mit unserer Positionierung im Cross-Border-Versand noch mehr Marktanteile sichern können. Ich weiß aber auch, dass; wie in den letzten Jahren immer wieder, mitunter völlig ungeplant, auch auf geopolitischer Ebene, neue Herausforderungen aufschlagen können. Nehmen Sie zum Beispiel die Energiekrise, den Russland-Krieg, und jetzt ganz aktuell die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns. All diese Themen haben jeweils für sich massive Einflüsse auf unser gesamtes Geschäftsmodell. Und natürlich müssen wir uns in den Zukunftsthemen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Out-of-Home-Zustellung weiterentwickeln. Wir werden allein in unsere IT-Systeme dafür jährlich zweistellige Millionenbeträge investieren.

GLS Germany CEO Moritz Eichh fer

GLS Germany CEO Moritz Eichhöfer.

Kommen wir zur deutschen Wirtschaft. Wir haben hierzulande drei Jahre Rezession hinter uns. Geht es jetzt endlich wieder aufwärts?
Wir kommen in der Tat aus einer Phase mit zwei, drei Jahren wirtschaftlicher Stagnation. Und diese Schwäche im B2B-Geschäft hat sich auch auf den Paketmarkt niedergeschlagen. Immerhin ist der E-Commerce im vergangenen Jahr wieder gewachsen. Noch sind die Zahlen aus der Corona-Pandemie zwar nicht erreicht, aber mit über fünf Prozent Plus passt dieses Wachstum durchaus zum langfristigen Trend. Im ersten Halbjahr haben sich einige Konjunktur-Indikatoren wieder aufgehellt: Wir spüren, dass der Konsument wieder optimistischer wird. Dieser positive Trend zeichnet sich beispielsweise im GfK-Konsumklima-Index für 2025 ab. Die Unternehmen bleiben bei Neu-Investitionen noch vorsichtig, aber wir sehen eine Aufbruchstimmung im Markt, was sich auch in der angekündigten Investitionsoffensive zahlreicher Großkonzerne zeigt. Noch ist es zu früh, in Deutschland von einer nachhaltigen wirtschaftlichen Erholung zu sprechen. Kurzfristig freuen wir uns aber über diesen positiven Impuls. Und dieser kann durchaus mit der neuen Bundesregierung zu tun haben

Wie haben sich bei GLS Germany Umsatz und Mengenvolumen in den ersten sechs Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entwickelt?
Natürlich hilft der kurzfristige positive Trend in der deutschen Wirtschaft unseren Bestandskunden und damit auch uns als Paketdienst. Als GLS Germany sind wir deshalb derzeit sehr zufrieden und solide über dem Vorjahr unterwegs. Details kann ich Ihnen leider nicht nennen, da GLS diese Zahlen auf Konzern- und nicht auf Länder-Ebene veröffentlicht, und zwar immer am Ende des Geschäftsjahres. Allerdings so viel: Im Geschäftsjahr 2023/2024 hat die GLS Group insgesamt 905 Millionen Pakete befördert und einen Gesamtumsatz von 5,6 Milliarden Euro erzielt.

Sie sagen, dass Sie aktuell mit Ihrer Geschäftslage zufrieden sind. Inwieweit profitieren Sie da vom Mengenhype chinesischer Unternehmen, die aktuell als Reaktion auf die Trump-Zölle nach Deutschland und Europa drängen?
Auch wir sehen natürlich den Boom aus Asien. Durch den Zollstreit zwischen den USA und China sind ja aktuell die Importzahlen aus China in Deutschland und Europa kurzfristig um 30 Prozent gestiegen. Und als GLS profitieren wir davon wie die gesamte Paketindustrie.

Arbeitet GLS auch mit Temu und Shein zusammen? Würden Sie so weit gehen, dass die China-Mengen, die auf den deutschen Markt drängen, Ihren Umsatz hierzulande retten?
Das, was aus China kommt, geht zumeist an Privatkunden. Das ist nicht unser angestammter Kern. Wir wachsen zwar seit Jahren in Deutschland mit B2C; B2C macht aber nach wie vor nur rund ein Drittel unseres Geschäfts aus. B2B ist unsere Basis und nach wie vor unser Kerngeschäft. Insofern sind wir deutlich abhängiger davon, wie sich unsere Geschäftskunden in Deutschland entwickeln als von den chinesischen Handelsströmen nach Deutschland. Aber klar: Auch wir profitieren aktuell von den China-Mengen und freuen uns über jedes Kunden-Set-Up, das beidseitig sinnhaft funktioniert. Diese sind aber nicht entscheidend für die Performance von GLS Germany.

Out of Home wird f r GLS zum strategischen Kernthema

Out of Home wird für GLS zum strategischen Kernthema.

Die EU will nun die Zollfreiheit für Waren unter 150 Euro abschaffen und eine Zwei-Euro-Abgabe auf Pakete einführen, die aus Drittstaaten in die EU importiert werden. Ist das eine gute Idee?
Für unser Geschäft ist es immer positiv, wenn der Handel frei fließen kann. Zölle und vergleichbare Abgaben sind also stets eine Form von Beschränkung. Andererseits will die EU mit solchen Entscheidungen zum Beispiel die Einhaltung bestimmter Standards schützen und vielleicht auch bestimmte Produzenten gegenüber unlauterer Konkurrenz. In diesem Fall wäre und ist diese Entscheidung also im Interesse unserer deutschen und europäischen Kunden. Außerdem wollen wir als Qualitäts-Anbieter wahrgenommen werden und nicht als Preisdrücker. Ein Kunde, der auf Qualität achtet, ist uns immer lieber als ein Kunde, der auf den letzten Cent schaut.

Ihr Vorgänger, Achim Dünnwald, hat als CEO mit GLS in Deutschland im Privatkundengeschäft und Fulfillment wachsen wollen. Ist das auch Ihre Wachstumsstrategie?
Grundsätzlich ja. Wir sind in den besagten Bereichen gut gewachsen. Ich würde es allerdings insofern etwas differenzieren, als dass wir im B2C nun verstärkt auf die Out-of-Home-Zustellung setzen werden, also weg von der klassischen Haustür-Belieferung. Denn wir stellen bei Endkunden vermehrt fest, dass sich bei diesen die Zustell-Präferenzen verschieben. Sie wollen ihre Pakete lieber an einen externen Konsolidierungspunkt, etwa an eine Paketstation oder aber an einen Paketshop, geliefert haben als an ihre Haustür, weil es sich in ihre Alltagswege besser integrieren lässt. Das zeigen uns Länder in Osteuropa, vor allem Polen und Ungarn, aber auch Dänemark und Frankreich. Die Out-of-Home-Zustellung ist ein Feld, von dem wir uns eine besondere Dynamik versprechen. Ein flächendeckendes Out-of-Home-Ökosystem sehen wir als Gamechanger für die Paketlogistik in Deutschland.

GLS und DPD kooperieren ja bereits auf der Letzten Meile auf diversen Ebenen – wird das auch bei den Paketstationen der Fall sein?
Unsere Zusammenarbeit beschränkt sich rein auf den Out-of-Home-Bereich, der für beide Unternehmen von großer strategischer Relevanz ist. Damit sind natürlich auch die beidseitig nutzbaren Paketstationen gemeint. Eins ist mir sehr wichtig zu betonen: GLS und DPD bleiben weiterhin zwei eigenständige Unternehmen.

Wie viel Euro wird GLS Germany in das Ausrollen dieser Out-of-Home-Infrastruktur in diesem Jahr und mittelfristig investieren?
Wir messen dem Roll-Out unseres flächendeckenden und anbieteroffenen Out-of-Home-Netzwerks hohe Priorität bei und werden dafür in den nächsten Geschäftsjahren einen zweistelligen Millionenbetrag investieren. Ideal sind dabei für uns Standorte, die sich nahtlos in den Alltag unserer Kunden integrieren, also Supermärkte, Tankstellen, Wohnquartiere oder Bahnhöfe. Aber auch leerstehende Einzelhandelsflächen oder Vorplätze können für uns interessant sein, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.

Die Zustellung auf der Letzten Meile macht ja Branchenkennern zufolge rund 50 Prozent der Kosten im Paketgeschäft aus. Wie viel Prozent Ihrer Kosten sparen Sie sich durch die gebündelte Zustellung an einen Konsolidierungspunkt ein?
Für den Aufbau dieser Infrastruktur müssen wir zunächst erstmal investieren (lacht). Aber natürlich haben wir durch die gebündelte Zustellung an einen Konsolidierungspunkt positive Effekte. Wie hoch diese sind, hängt letztlich von den ausgelieferten Paketmengen ab. Ein zweistelliger Cent-Betrag pro Paket ist aber drin. Das sind also schon nennenswerte Beträge.

Wie viele Out-of-Home-Punkte und in welchen Städten planen Sie überhaupt in Deutschland in diesem Jahr, und was ist da in fünf Jahren Ihr Ziel?
Wir sind wenige Wochen davon entfernt, unseren 10.000sten Out-of-Home-Punkt zu eröffnen. Stand heute besteht das Netz aus über 8.900 Paketshops und 600 Paketstationen. Unser Ziel ist es, das Out-of-Home-Netz mit Partnern wie Myflexbox oder DPD zügig auszubauen. Mit DPD wollen wir innerhalb der nächsten Jahre unseren Kunden ein Netz aus 20.000 gemeinsam nutzbaren Paketshops und -stationen anbieten. Die ersten Standorte der gemeinsam nutzbaren Paketstationen sind schon realisiert, viele weitere werden innerhalb weniger Wochen live geschaltet. Wir starten mit Standorten, an denen wir schnell skalieren können. Darunter sind Städte wie Berlin, Hamburg, München, Dortmund oder Frankfurt am Main.

Nachhaltigkeit bleibt auf der GLS Agenda zentrales Thema

Nachhaltigkeit bleibt auf der GLS-Agenda zentrales Thema.

Wird GLS Germany diese Out-of-Home-Infrastrukturen exklusiv selbst betreiben, oder sind diese Lösungen auch für andere Paketdienste offen?
Unsere Vision ist ein anbieteroffenes Netz – schon jetzt gemeinsam mit DPD und starken Drittpartnern, denn der Kunde denkt nicht in Logos, sondern in Lösungen. Passend dazu verzeichnen wir ein großes Interesse von potenziellen Standortpartnern an unserem Vorhaben, aber auch aus dem KEP-Markt heraus. Erste Meilensteine werden wir in Kürze verkünden.

Bis wann werden Sie die Out-of-Home-Punkte, hier insbesondere Paketstationen deutschlandweit ausgerollt haben?
Wir streben ein flächendeckendes Netz bis 2027 an. Die Stationen werden in zahlreichen Städten und Gemeinden parallel installiert – der Ausbau verläuft dynamisch, ist abhängig von lokalen Partnerschaften und behördlichen Genehmigungen. In allen Regionen Deutschlands sollen unsere Out-of-Home-Punkte innerhalb weniger Minuten erreichbar sein – auch zu Fuß oder mit dem Rad. Für uns ist es eine logische Möglichkeit, über Out-of-Home-Punkte Pakete konsolidiert anliefern zu können. Das lohnt sich für unsere Kunden: Schon heute können sie abhängig von der jeweiligen Versandstruktur bei der Paketzustellung in Out-of-Home-Punkte etwa 10 bis 20% im Vergleich zur Haustürzustellung sparen. Es kann sogar sein, dass die Zustellung nach Hause künftig ein Premium-Produkt wird.

Was bedeutet das Ganze für Ihre Subunternehmer? Wie viel Prozent Ihrer Zusteller sparen Sie sich dadurch mittelfristig in Deutschland ein?
Wie ich bereits erwähnt hatte: Wir wachsen aktuell und sind damit zufrieden. Wir brauchen also eher mehr als weniger Zusteller. Das Out-of-Home-Geschäft wächst stark, aber auf einer deutlich geringeren Basis. Es ist nicht so, dass wir aktuell deshalb deutliche Kapazitäten im Zusteller-Bereich einsparen könnten. Ob dies künftig der Fall sein wird, wird man sehen. Wir gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2030 rund 40 Prozent unserer Privatkunden über solche Out-of Home-Punkte beliefert werden und eben nicht mehr über die Haustür.

Angesichts der Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland kommt Ihnen alles das natürlich entgegen. So soll der Mindestlohn ja ab  1. Januar 2026 auf 13,90 Euro brutto pro Arbeitsstunde steigen und ab 1. Januar 2027 auf 14,60 Euro brutto pro Stunde. Wie hoch beziffern Sie dadurch Ihre jährlichen Mehrbelastungen?
GLS Germany zahlt heute schon in aller Regel über dem gesetzlichen Mindestlohn. Wenn die Untergrenze steigt, steigen aber natürlich auch die darüberliegenden Lohnbänder. Wenn ich heute einem Mitarbeiter fünfzig Cent mehr als den gesetzlichen Mindestlohn bezahle, verlangt er in Zukunft auch entsprechend mehr. Alles in allem rechnen wir dadurch jährlich mit Mehrkosten, die in einem mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Betrag liegen dürften. Unser Geschäft ist nach wie vor noch sehr personalintensiv, insbesondere im Zustellbereich.

Karsten Schwarz, CEO von DPD Deutschland, meint deshalb, dass der gesetzliche Mindestlohn das Thema Automatisierung und dadurch den Stellenabbau im Paketgeschäft weitertreiben würde. Sehen Sie das auch so?
Wir sind als GLS Germany nicht gegen den Mindestlohn. Wir sind dafür, dass Arbeit fair entlohnt wird. Die Frage ist, wie schnell und in welcher Höhe dieser angepasst wird. Denn letztlich gibt es bei solchen Anhebungen nur zwei Hebel: Entweder wir schaffen es, die Mehrbelastung durch eine höhere Effizienz in den Prozessen aufzufangen, oder wir erhöhen unsere Preise. Im vorliegenden Fall steigt der gesetzliche Mindestlohn so stark und schnell, dass wir dies nicht allein durch Optimierungen hinbekommen. Wir werden deshalb unsere Paketpreise zum 1. Januar 2026 anpassen müssen. Über die genaue Höhe diskutieren wir gerade noch.

DPD musste vor einem Jahr jede siebte Stelle streichen, um wieder auf Kurs zu kommen. An welchen Stellschrauben werden Sie drehen, damit GLS Germany weiter profitabel wächst?
Die Erhöhung unserer Paketpreise ist da nur eine Maßnahme. Natürlich schauen wir sehr viel genauer hin, wie wir in unserer Produktionskette die Prozesse weiter optimieren. Da hilft sehr, dass wir in den letzten Jahren sehr viel in unsere digitalen Fähigkeiten investiert haben. Sprich: Mittels Datennutzung versuchen wir unsere Ressourcen so gezielt wie möglich einzusetzen. Wir haben zum Beispiel ein Real Time Tracking im Einsatz, bei dem die Empfänger sehr genau und sehr transparent wissen, wann unsere Zusteller eintreffen, und haben so den Übergabeprozess beschleunigt. Das Tracking funktioniert dann bis auf zehn Minuten genau, was aus meiner Sicht im Markt einmalig ist. Zudem setzen wir beispielsweise in unserem Bielefelder Depot heute schon in der Paketsortierung 70 autonome Sortierroboter ein, die die Mitarbeitenden entlasten und unterstützen. Ein Pilot, den wir weiter ausrollen. Zudem setzen wir vermehrt auf automatisierte Bandanlagen.

 
Die innovativen Sortierroboter im Depot Bielefeld.

Wie hilft Ihnen da Künstliche Intelligenz, und in welche neuen Tools und wie viel Euro werden Sie dafür konkret investieren?
Wir sind traditionell in einem sehr datengetriebenen Geschäft unterwegs. Zu jedem Paket haben wir eine Historie mit sehr vielen Informationen. KI bietet uns die Möglichkeit, die Zustellung intelligenter zu organisieren und dadurch einen besseren Service für unsere Kunden zu leisten. Ich sehe durch KI aber weniger Rationalisierungs-Potenzial. Vielmehr hilft uns KI in der Prognose von Paketmengen. Über Predictive Analytics können wir unsere Ressourcen deutlich besser planen. Außerdem hilft uns KI beispielsweise bei der Steuerung von Wechselbrücken in unserem Netzwerk oder etwa bei der Nachverfolgung von Paketen. Darin liegt ein interessanter Use Case: Falls wir in Einzelfällen Pakete nicht korrekt nachverfolgen können, werden diese über eine KI-gesteuerte Bilderkennung identifiziert und zugeordnet.

Was ist überhaupt Ihr Erfolgsrezept, um weiter nach vorne zu kommen?
Als nachhaltiger Paketdienst sind wir als GLS gut positioniert. Wir haben eine der größten klimafreundlichen Flotten in der Branche. Allein in der Zustellung setzen wir mittlerweile in über 300 deutschen Städten jeden Tag rund 1.500 emissionsarme oder emissionsfreie Fahrzeuge ein. Das ist etwa ein Viertel unserer Zustellflotte. Auch im Fernverkehr setzen wir per Elektro-Antrieb oder alternativen Antriebsarten wie Biogas, HVO100 oder Wasserstoff zukunftsfähige Technologien ein und skalieren entsprechend. Wir haben uns als GLS Gruppe zu den Klimaschutzzielen des Pariser Klimaabkommens verpflichtet, unsere Nachhaltigkeitsambitionen sind durch die SBTi validiert. Wir wollen bis zum Jahr 2045 Net-Zero im Geschäftsbereich sein. Das heißt, wir werden bis dahin 90 Prozent unserer CO₂e-Emissionen im Vergleich zum Jahr 2021 vermieden haben, und die verbliebenen nicht-vermeidbaren zehn Prozent kompensieren.

Bis wann müssen Ihre Zusteller also auf E-Antrieb umgerüstet haben? 
Wir setzen uns für jedes Geschäftsjahr ehrgeizige Ziele, auch im Bereich Nachhaltigkeit, die wir gemeinsam mit unseren Transportpartnern verfolgen. Mittlerweile ist eine intrinsische Motivation bei vielen unserer Partner spürbar, auf nachhaltige Leistung umzurüsten, auch und gerade im Bereich der Zustellflotten. Mit verschiedenen Anreizen treiben wir den Roll-Out von E-Fahrzeugen voran.

Und wann launcht GLS ein grünes Paket – analog dem GoGreen Paket von DHL Group?
Noch können wir auf Paket-Ebene nicht nachweisen, dass eine Sendung End-to-End grün erfolgt, auch wenn das Kunden vermehrt wünschen. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, beachten aber auch den Aspekt eines möglichen Greenwashings bewusst. Wie ich skizziert habe, sind wir im Marktvergleich in Sachen nachhaltige Dienstleistung sehr gut dabei, vor allem durch unsere frühzeitigen Investitionen in nachhaltige Fahrzeuge. Klar ist auch, dass es heute immer noch teurer ist, ein Paket End-to-End nachhaltig zu produzieren. Ein E-Lkw verursacht nach wie vor höhere Kosten als ein Diesel-Lkw. Und an den Mehrkosten unseres Nachhaltigkeits-Umbaus beteiligen wir unsere Kunden.

Zwei letzte Fragen an Sie: Der deutsche Paketmarkt ist extrem wettbewerbsintensiv. Gibt es in Deutschland zu viele Paketdienste?
Jeder soll sehr gerne hier aktiv sein. Wettbewerb ist grundsätzlich gut und dazu da, dass Kunden die beste Leistung zum besten Preis erhalten. Wettbewerb spornt uns an, besser zu werden.

Angeblich soll der Paketdienst Hermes aus dem Otto Konzern herausgelöst und verkauft werden. Wie realistisch ist das?
Auch wir haben die entsprechenden Presseberichte zur Kenntnis genommen. Was das in der Konsequenz bedeutet, vermag ich nicht zu beurteilen. Wir äußern uns aber grundsätzlich nicht zur Situation von Marktbegleitern.

Wie sinnvoll wäre da aus Ihrer Sicht GLS mit Hermes zusammenzulegen? GLS kommt ja traditionell vom B2B-Segment, während Hermes im Privatkundengeschäft (B2C und C2C) stark ist.
GLS Germany ist wirklich sehr gut positioniert. Wir kommen zwar traditionell vom B2B-Geschäft, sind aber längst auch im B2C-Segment tätig. Und da werden wir weiter wachsen – auch aus eigener Kraft. Und im Zusammenspiel mit DPD bieten wir jetzt für Endkunden ein völlig neues Angebot in der Out-of-Home-Zustellung.

Und wie geht es mit der deutschen Wirtschaft im zweiten Halbjahr 2025 und in 2026 weiter? Von welchem Szenario gehen Sie da aus?
Ich hoffe natürlich, dass das zarte Wachstums-Pflänzchen, das wir aktuell in Deutschland erleben, anhält. Dafür spricht, dass die Bundesregierung gerade dabei ist, ihr Sondervermögen in konkrete Projekte umzusetzen. Und das trägt entsprechend zum Optimismus in der Wirtschaft bei. Allerdings erwarte ich nicht, dass die deutsche Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte und 2026 nun um mehrere Prozent wachsen wird. Das wird vermutlich nur eine leichte wirtschaftliche Erholung sein. Immerhin: Der deutsche Paketmarkt soll laut dem BPEX 2026 um rund vier Prozent Menge zulegen, und wir selbst wollen auch im nächsten Jahr erneut stärker als der Markt wachsen.

 

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